Schenkenschanz und das Hochwasser

Die NRZ von Dienstag, dem 7. Februar 1995 berichtet:

Schenkenschanz erhält neuen Schutzwall

Die alte Hochwasserwand zeigte horizontale Risse – Höhere Mauer auch für Grieth

KREIS KLEVE. Besser gegen Hochwasser geschützt werden sollen die Niederrheiner nach der erneuten Jahrhundertflut. Schenkenschanz wird noch in diesem Jahr eine neue Schutzmauer oder einen Erdwall erhalten. Das berichtet der Deichverband. Auch in Grieth wird die Schutzwand bald durch eine neue und höhere Mauer ersetzt. Die Deicherneuerung zwischen Bimmen und Wardhausen könnte ebenfalls in diesem Jahr größtenteils abgeschlossen werden. Gochs Stadtdirektor Lange möchte den Bebauungsplan für Kessel ändern, um die Hochwassergefahr für neue Häuser zu mindern. Der Niersverband beabsichtigt bis Mitte 1996, ein ausgearbeitetes Niersauen-Konzept mit natürlichen Überschwemmungsflächen vorzulegen.

»Zum erstenmal gab es horizontale Risse in der Schutzmauer«, skizziert Horst Tefehr [Anmerkung: richtig ist Horst Terfehr] vom Deichverband Xanten-Kleve die Hochwasserproblematik in Schenkenschanz. Eine neue Schutzmauer oder ein Erdwall soll möglicherweise schon Ende des Jahres fertiggestellt sein. Kosten: drei bis sechs Millionen Mark. In Grieth wird die bestehende Hochwassermauer bis zum Herbst erneuert und um 30 Zentimeter erhöht. Das Vorhaben kostet anderthalb Millionen Mark.

Fast fertig sind zwei Kilometer neuer Deich bei Bimmen. Weitere tausend Meter sollen bis September folgen. Die verbleibenden fünfeinhalb Kilometer bis Wardhausen, so schätzt Herr Nebelung vom zuständigen Umweltamt, können noch dieses Jahr weitgehend fertiggestellt werden. Im Raum Hönnepel/Niedermörmter sind 12 Kilometer neuer Deich in Planung.

Gravierende Schäden an den Deichen meldeten die Deichverbände bisher nicht. Ein Ein- und Auslaßwerk bei Salmorth sei wahrscheinlich durch die Bundeswehr-Fähre gerammt und beschädigt worden. Hinter dem Klärwerk wurde die Böschung landseitig unterspült: 30 Meter Straße brachen weg.

In Kessel möchte Gochs Stadtdirektor Lange den Bebauungsplan ändern und für neue Häuser die Sockelhöhe anheben. Der Niersverband hat zudem ein Konzept, das wieder mehr natürliche Überflutungsflächen schaffen soll.

Michael Evers

 

Das Klever Wochenblatt von Mittwoch, dem 8. Februar 1995 berichtet:

Schenkenschanz: Acht Frauen hatten sich versteckt ...

Endlich ist wieder Alltag eingekehrt

Von ANKE BROD

Schenkenschanz. Glück gehabt, das Hochwasser verschonte in den Niederungen um Kleve die Dörfer vor einer Überflutung. Der Katastrophenalarm ist vorbei, die zurückgekehrten Bürger genießen auf ihrem Sofa in den eigenen vier Wänden wieder ihren selbstgekochten Kaffee aus eigenen Tassen. »Ich bin froh, daß der Alltag wieder eingekehrt ist«, seufzt auch erleichtert der Gärtner Albert Bos (50) aus Schenkenschanz. Er hielt gemeinsam mit den anderen Männern von der »Rheininsel« während der Evakuierung die Stellung im Dorf.

Die schlammigen Rheinmassen standen den Schänzern schon bis zur Halskrause. Nur die Mauern rund um den Ortskern hielten die Fluten ab. »Als das Wasser immer höher wurde, haben wir an drei Stellen im Ort mehr Balken aufgelegt«, berichtet Bos. Die Sache hatte für die Schänzer recht dramatisch begonnen. Als der Oberkreisdirektor den Katastrophenalarm auslöste, eilten die Dorfbewohner morgens um acht Uhr zur Schule, wo ihnen nahegelegt wurde, den Ort zu verlassen. Frauen, Kinder, Ältere und Kranke packten ihre Koffer und setzten mit einer Bundeswehr-Fähre zum »Festland« über. In den Berufsbildenden Schulen Kleve wurden sie vom DRK betreut.

»Fast alle Männer von Schenkenschanz entschlossen sich, die Stellung zu halten, und stellten einen Wachplan im zwei-Stunden-Rhythmus auf«, erklärt Albert Bos, einer der freiwilligen Helfer vor Ort. »Angst hatte ich nicht, nur als bei den Nachbarn die Mauer leckte, wurde es kritisch«, erinnert er sich, »da mußten wir jede Menge Sandsäcke in den Stall schaffen!«

Not litten die Betroffenen während der Hochwasser-Tage nicht, und unter den Männern aus dem Dorf, die bereits als Dreikäsehochs zusammen im Sandkasten spielten, herrschte ein freundschaftliches Verhältnis.

Claudia Bos
Claudia Bos (28) war eine der acht mutigen Frauen, die mit den Männern aus dem Dorf auf Schenkenschanz ausharrte. Das Dorf hatte sich während des Hochwassers in eine kleine Insel (Foto unten) verwandelt.

WOCHENBLATT-Foto: Anke Brod
Schenkenschanz
      

Eine Hungersnot herrschte nicht

Für die Hunger-Notabwehr sorgten tatkräftig die acht Frauen von der Schanz, die für ihre dagebliebenen, standhaften Männer kochten. Ob nun Sauerkraut, Reibekuchen oder Erbsensuppe: deftig war es immer, und Essen und Trinken hält ja bekanntlich Leib und Seele zusammen. »Als morgens um 11 Uhr die letzte Fähre fuhr, haben sich diejenigen von uns, die nicht evakuiert werden wollten, versteckt«, verrät Claudia Bos (28), die ebenfalls auf der »Rheininsel« ausharrte. Als später alle aus ihren Schlupfwinkeln herauskamen, sei es sehr spannend gewesen, wer denn überhaupt in Schenkenschanz geblieben war...

Bei einem Metzger in Griethausen orderten die Frauen nach einer Lagebesprechung schließlich Fleisch und Sauerkraut. Das kam per Boot an. Mittags brutzelte jede aus den Zutaten etwas zusammen, später wurde in der Schule, die gleichzeitig als Speisesaal und Krisenzentrum diente, alles in einen großen Pott geworfen. »Wir sind uns nähergekommen«, freut sich Claudia Bos, »und haben uns mit Leuten unterhalten, mit denen wir sonst keinen Kontakt haben. Jeder packte mit an, keiner fühlte sich allein.«

Und nach der Rückkehr der Evakuierten ins Dorf? – Da ließen die rund 140 Schenkenschänzer erstmal die Flaschen kreisen. Eine lustige Wiedersehensfeier war angesagt. »Ja, es war schon still hier in den vergangenen Tagen«, sagt Albert Bos, der sich freut, wieder seinem geregelten Tagesablauf nachgehen zu können.

zurück 
 6 
 weiter
zurück zum Seitenanfang    Seite 01    Seite 02    Seite 03    Seite 04    Seite 05    Seite 07    Seite 08